Text von Emily MacKenzie
Bilder von Maximilian Fries
Dieser Trip nach Schottland sollte mich näher zu meinen Wurzeln bringen und mir helfen zu verstehen, wer ich bin – deshalb war es wichtig, diesen alleine anzugehen.
Einzig begleitet durch einen Fotografen, bestritt ich meinen allerersten Bikepacking Trip, um meiner persönlichen Vorstellung von "Zuhause" näher zu kommen.
Tag 1
Der Grat zwischen Aufregung und Nervosität ist schmal. An diesem Morgen war ich eher nervös als aufgeregt und ich konnte nicht so recht begreifen, was diese neue Erfahrung für mich zu bedeuten hatte. Großgezogen von einem deutschen und einem schottischen Elternteil, habe ich mich immer an zwei Orten zu Hause gefühlt. Diese Reise sollte mir helfen, meine Wurzeln zu finden, mehr über mich selbst zu erfahren und mich dadurch näher zu mir selbst zu bringen – auf dem Rad. Nach dem Frühstück verließen wir das Hotel in Edinburgh. Die Vielfalt der Gefühle war überwältigend. Ich war aufgeregt und nervös, ruhig und zufrieden zugleich.
Der erste Tag würde uns aus Edinburgh herausführen, am Strand entlang, über die Forth Bridge und dann weiter nördlich nach Perth. Begleitet von Möwen bewegte sich das Rad unter mir kraftvoll und gleichmäßig, was mir wiederum half, mich Stück für Stück zu beruhigen. So etwas wie diesen Trip hatte ich noch nie zuvor gemacht. Ich bin noch nie so lange mit einem Gravelbike gefahren, ganz zu schweigen über mehrere Tage hinweg. Es gab so viele Dinge, die mir Sorgen bereiteten, so viele Dinge die schief gehen konnten. Das überforderte mich. Vor allem aber hatte ich Angst davor, wieder zurück nach Deutschland zu gehen. Vor dem Ende der Reise, vor dem Ankommen. Sollte das nicht eigentlich der beste Teil von Bikepacking sein?
Tag 2
Dieses Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, hielt auch am zweiten Tag an. Nach einem netten Gespräch mit dem Besitzer des B&B machten wir uns auf den Weg, begleitet von strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Wir fuhren an einem Golfplatz vorbei und passierten wunderschöne alte Steinmauern und Schlösser. Als wir uns ein wenig verfahren hatten, bahnten wir uns unseren Weg durch wildes Gestrüpp. Auf einem Weg, der eigentlich für Mountainbikes gedacht war, erreichten wir das kleine Städtchen Dunkeld.
Nach einer kurzen Stärkung mit gutem Kaffee und Streicheleinheiten ein paar süßer Hunde, fuhren wir weiter entlang des Flusses Tay. Das Wetter änderte sich abrupt und damit auch meine Stimmung. So wie viele kleinen Dinge hier machte auch das mich irgendwie sentimental. Das Essen und die Getränke, die Sprache, das Wetter, die Gerüche. Je näher wir unserem endgültigen Ziel kamen, desto mehr spürte ich die Spannung in meinem ganzen Körper.
Und damit meine ich nicht nur die Signale, die mir jeder Zentimeter meines Körpers gab und die mir sagten, dass ich mich in den letzten Monaten wahrscheinlich mehr hätte dehnen sollen. Es war eher die Spannung eines elastischen Materials, kurz bevor es reißt. Hin- und hergerissen zwischen zwei Orten und zwei Identitäten.
An diesem zweiten Abend brach alles aus mir heraus, als ich nach dem Abendessen in meinem B&B in Pitlochry im Bett lag und mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich hatte mich so sehr auf jeden einzelnen Tritt in die Pedale auf dem anspruchsvollen Untergrund konzentriert, dass ich nicht gemerkt hatte, wie all die Emotionen sich im Laufe des Tages in mir aufgestaut hatten.
Die Stille, ohne Ablenkung durch eine TV-Show oder einen Verstand, der mir sagt, welche Aufgabe auf meiner To-Do-Liste noch unerledigt ist, ließ mir klar werden, was ich hier gerade tue. Ich näherte mich Stück für Stück, Kilometer für Kilometer, meinem eigenen Gefühl der Zugehörigkeit. Und neben der Begeisterung über Ausblicke, Snacks und Hunde spürte ich, wie sich das Gefühl von zu Hause in meiner Brust ausbreitete.
Tag 3
Als ich gestern Abend ins Bett ging, fühlte ich mich kaputt und erschöpft, ängstlich und nervös, aber vor allem zweifelnd. Die Sorgen hielten mich bis weit nach Mitternacht wach. Zum Glück empfahl uns der Hotelbesitzer, den ersten Teil unsere zu ändern, damit wir schneller vorankamen. Die heutige Route, welche uns quer durch die Cairngorms führen sollte, 70 km von Pitlochry nach Kincraig, machte mir Sorgen. Als wir das Tal erreichten und sich die schottischen Berge um uns herum auftürmten, versuchte ich tief durchzuatmen und das Chaos in meinem Kopf zu beruhigen.
Die Landschaft war unglaublich schön, noch nie zuvor hatte ich eine solche absolute Wildnis erlebt. Vor uns lagen fünf Stunden ohne Empfang, aber dafür mit einer Unmenge an unterschiedlichen Gefühlen. Am Fuße des Berges An Dùn wurde mir klar, dass ich es vermasselt hatte. Der Weg endete in einem Sumpf, und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Ich spürte, wie sich die pure Angst in jedem Zentimeter meines Körpers ausbreitete, in meiner Brust, meinem Magen. Ich war besorgt und kurz davor, in Panik zu geraten. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Räder erstmal zu schieben, einen Schritt nach dem anderen. Nach einer Weile konnten wir unseren Augen kaum trauen.
Direkt vor uns lag Loch an Duin, und ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Schwer und dunkel lag er vor uns, dieser gigantische See zwischen den Bergen – wir standen direkt am Ufer. Ich fühlte mich so klein, so unbedeutend, als ob ich mich darin verlieren könnte. Einige Stunden später erst, konnten wir ein kleines Haus am Horizont erkennen.
Als ich näher kam, redete ich mit dem Mann, der draußen in seinem Lieferwagen saß und mich fragte, woher ich komme. Dieser Mann mitten in den Cairngorms, noch immer über 100 km von meinem Heimatort entfernt, behauptete, er kenne meinen Vater und meine Familie. Ich konnte es nicht fassen. Dies erinnerte mich daran, warum ich diese Reise auf mich genommen hatte. Diese Begegnung gab mir Kraft für die letzten Kilometern, durch Flüsse und Wildnis – bis wir schließlich das Hostel in Kincraig erreichten.
Ich hatte so viele Fragen, aber alles, was ich tun konnte, war abzuwarten. Und zu fahren. Und zu vertrauen. Je mehr Kilometer vergingen, desto besser gelang es mir durchzuatmen und mich richtig umschauen.
Als wir an diesem schönen alten Haus ankamen, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Tag 4
Es war unser letzter Tag auf der Reise - nur noch 40 km bis zu unserem endgültigen Ziel, Tomatin. Mir war übel. Mein Magen drehte sich um, ich war nervös und alles andere als bereit, mit all den aufkommenden Emotionen umzugehen. Aber ich vertraute dem Rad, vertraute darauf, dass es mir helfen würde, dieses Gefühl zu überwinden, und die Gleichmäßigkeit der Bewegungen gab mir Zuversicht. Und schließlich begann ich, die Umgebung wiederzuerkennen; ich hatte diese Straßen schon so oft gesehen.
Während ich alleine in einem Cafe saß kamen mir die Tränen. Ich fing an, alles zu verstehen. Weshalb ich hier bin, was ich geschafft hatte und was das bedeutet. Es brach alles auf einmal herein.
Nachdem wir das Ortsschild passiert hatten, fühlte ich mich endlich wohl und richtig. Es ging nicht nur um die Bewältigung der Strecke oder die Herausforderung, mit dem Fahrrad durch Schottland gefahren zu sein. Viel mehr wahr da das Gefühl, "zu Hause" zu
Es erfüllte jede einzelne Ader meines Körpers mit Wärme. Ich war genau dort, wo ich hingehörte.
Dieser Trip nach Schottland sollte mich näher zu meinen Wurzeln bringen und mir helfen zu verstehen, wer ich bin – deshalb war es wichtig, diesen alleine anzugehen.
Einzig begleitet durch einen Fotografen, bestritt ich meinen allerersten Bikepacking Trip, um meiner persönlichen Vorstellung von "Zuhause" näher zu kommen.
Der Grat zwischen Aufregung und Nervosität ist schmal. An diesem Morgen war ich eher nervös als aufgeregt und ich konnte nicht so recht begreifen, was diese neue Erfahrung für mich zu bedeuten hatte. Großgezogen von einem deutschen und einem schottischen Elternteil, habe ich mich immer an zwei Orten zu Hause gefühlt. Diese Reise sollte mir helfen, meine Wurzeln zu finden, mehr über mich selbst zu erfahren und mich dadurch näher zu mir selbst zu bringen – auf dem Rad. Nach dem Frühstück verließen wir das Hotel in Edinburgh. Die Vielfalt der Gefühle war überwältigend. Ich war aufgeregt und nervös, ruhig und zufrieden zugleich.
Der erste Tag würde uns aus Edinburgh herausführen, am Strand entlang, über die Forth Bridge und dann weiter nördlich nach Perth. Begleitet von Möwen bewegte sich das Rad unter mir kraftvoll und gleichmäßig, was mir wiederum half, mich Stück für Stück zu beruhigen. So etwas wie diesen Trip hatte ich noch nie zuvor gemacht. Ich bin noch nie so lange mit einem Gravelbike gefahren, ganz zu schweigen über mehrere Tage hinweg. Es gab so viele Dinge, die mir Sorgen bereiteten, so viele Dinge die schief gehen konnten. Das überforderte mich. Vor allem aber hatte ich Angst davor, wieder zurück nach Deutschland zu gehen. Vor dem Ende der Reise, vor dem Ankommen. Sollte das nicht eigentlich der beste Teil von Bikepacking sein?
Dieses Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, hielt auch am zweiten Tag an. Nach einem netten Gespräch mit dem Besitzer des B&B machten wir uns auf den Weg, begleitet von strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Wir fuhren an einem Golfplatz vorbei und passierten wunderschöne alte Steinmauern und Schlösser. Als wir uns ein wenig verfahren hatten, bahnten wir uns unseren Weg durch wildes Gestrüpp. Auf einem Weg, der eigentlich für Mountainbikes gedacht war, erreichten wir das kleine Städtchen Dunkeld.
Nach einer kurzen Stärkung mit gutem Kaffee und Streicheleinheiten ein paar süßer Hunde, fuhren wir weiter entlang des Flusses Tay. Das Wetter änderte sich abrupt und damit auch meine Stimmung. So wie viele kleinen Dinge hier machte auch das mich irgendwie sentimental. Das Essen und die Getränke, die Sprache, das Wetter, die Gerüche. Je näher wir unserem endgültigen Ziel kamen, desto mehr spürte ich die Spannung in meinem ganzen Körper. Und damit meine ich nicht nur die Signale, die mir jeder Zentimeter meines Körpers gab und die mir sagten, dass ich mich in den letzten Monaten wahrscheinlich mehr hätte dehnen sollen. Es war eher die Spannung eines elastischen Materials, kurz bevor es reißt. Hin- und hergerissen zwischen zwei Orten und zwei Identitäten.
An diesem zweiten Abend brach alles aus mir heraus, als ich nach dem Abendessen in meinem B&B in Pitlochry im Bett lag und mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich hatte mich so sehr auf jeden einzelnen Tritt in die Pedale auf dem anspruchsvollen Untergrund konzentriert, dass ich nicht gemerkt hatte, wie all die Emotionen sich im Laufe des Tages in mir aufgestaut hatten.
Die Stille, ohne Ablenkung durch eine TV-Show oder einen Verstand, der mir sagt, welche Aufgabe auf meiner To-Do-Liste noch unerledigt ist, ließ mir klar werden, was ich hier gerade tue. Ich näherte mich Stück für Stück, Kilometer für Kilometer, meinem eigenen Gefühl der Zugehörigkeit. Und neben der Begeisterung über Ausblicke, Snacks und Hunde spürte ich, wie sich das Gefühl von zu Hause in meiner Brust ausbreitete.
Als ich gestern Abend ins Bett ging, fühlte ich mich kaputt und erschöpft, ängstlich und nervös, aber vor allem zweifelnd. Die Sorgen hielten mich bis weit nach Mitternacht wach. Zum Glück empfahl uns der Hotelbesitzer, den ersten Teil unserer Route zu ändern, damit wir schneller vorankamen. Die heutige Route, welche uns quer durch die Cairngorms führen sollte, 70 km von Pitlochry nach Kincraig, machte mir Sorgen. Als wir das Tal erreichten und sich die schottischen Berge um uns herum auftürmten, versuchte ich tief durchzuatmen und das Chaos in meinem Kopf zu beruhigen.
Die Landschaft war unglaublich schön, noch nie zuvor hatte ich eine solche absolute Wildnis erlebt. Vor uns lagen fünf Stunden ohne Empfang, aber dafür mit einer Unmenge an unterschiedlichen Gefühlen. Am Fuße des Berges An Dùn wurde mir klar, dass ich es vermasselt hatte. Der Weg endete in einem Sumpf, und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Ich spürte, wie sich die pure Angst in jedem Zentimeter meines Körpers ausbreitete, in meiner Brust, meinem Magen. Ich war besorgt und kurz davor, in Panik zu geraten. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Räder erstmal zu schieben, einen Schritt nach dem anderen. Nach einer Weile konnten wir unseren Augen kaum trauen.
Direkt vor uns lag Loch an Duin, und ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Schwer und dunkel lag er vor uns, dieser gigantische See zwischen den Bergen – wir standen direkt am Ufer. Ich fühlte mich so klein, so unbedeutend, als ob ich mich darin verlieren könnte. Einige Stunden später erst, konnten wir ein kleines Haus am Horizont erkennen.
Als ich näher kam, redete ich mit dem Mann, der draußen in seinem Lieferwagen saß und mich fragte, woher ich komme. Dieser Mann mitten in den Cairngorms, noch immer über 100 km von meinem Heimatort entfernt, behauptete, er kenne meinen Vater und meine Familie. Ich konnte es nicht fassen. Dies erinnerte mich daran, warum ich diese Reise auf mich genommen hatte. Diese Begegnung gab mir Kraft für die letzten Kilometern, durch Flüsse und Wildnis – bis wir schließlich das Hostel in Kincraig erreichten.
Ich hatte so viele Fragen, aber alles, was ich tun konnte, war abzuwarten. Und zu fahren. Und zu vertrauen. Je mehr Kilometer vergingen, desto besser gelang es mir durchzuatmen und mich richtig umschauen.
Als wir an diesem schönen alten Haus ankamen, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Es war unser letzter Tag auf der Reise - nur noch 40 km bis zu unserem endgültigen Ziel, Tomatin. Mir war übel. Mein Magen drehte sich um, ich war nervös und alles andere als bereit, mit all den aufkommenden Emotionen umzugehen. Aber ich vertraute dem Rad, vertraute darauf, dass es mir helfen würde, dieses Gefühl zu überwinden, und die Gleichmäßigkeit der Bewegungen gab mir Zuversicht. Und schließlich begann ich, die Umgebung wiederzuerkennen; ich hatte diese Straßen schon so oft gesehen.
Während ich alleine in einem Cafe saß kamen mir die Tränen. Ich fing an, alles zu verstehen. Weshalb ich hier bin, was ich geschafft hatte und was das bedeutet. Es brach alles auf einmal herein.