Mit dem Rennrad über die Alpen
Mit dem Rennrad über die Alpen
 
 

Text von Kaddi Kestler

Fotos von Jens Scheibe


 

Corona zwang uns zum Daheim bleiben, aber das Träumen konnte uns der Virus nicht austreiben. „Sobald die Grenzen offen sind, geht es mit unserem brandneuen FOCUS IZALCO MAX 9.7 über die Alpen“, das hatten die Munich Mountain Girls Meike und Kaddi beschlossen: Von München über Sylvensteinspeicher, Achensee, Patsch, Brenner und Jaufenpass nach Lana und übers Penser Joch zurück nach Sterzing zu fahren. Und aufgeregt waren die beiden – schließlich ist das IZALCO keine für Pässe gebaute Kletterziege, sondern eher eine ziemlich flotte Rennmaus für die Ebene. Eigentlich...

Meike & Kaddi
MMG MMG

„Ich nenn es Hannibal!“ begrüßt mich meine Munich Mountain Girls Freundin Meike. „Es“ ist ihr neues FOCUS IZALCO MAX 9.7 und Hannibal will sie es nennen, weil es sie über die Alpen bringt. Zumindest, wenn die nächsten beiden Tage nichts schief geht. Damit das nicht passiert, hat sie einen winzigen Glücksbringer-Elefanten an den Carbon-Lenker gebunden.

Unsere neuen Izalco Max 9.7

Über einen Namen für meinen brandneuen fahrbaren Untersatz habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, dafür habe ich meine hellblaue Schönheit schon “customized“. In Vorbereitung für und aus Angst vor den anstehenden Bergetappen habe ich statt der standardmäßig verbauten 10-28er Kassette eine bergauffreundlichere 10-33er drauf gebaut. Meike probiert es (erstmal) mit der Originalausstattung und vertraut ihren im Lock Down gut trainierten Oberschenkeln. Sie fährt das erste Mal mit dem Rennrad über die Alpen, ich habe es schon einmal hinter mir. Der Vorsprung an Erfahrung macht mich aber nicht wirklich sicherer, da ich mein Mountainbike doch ein wenig mehr liebe als das Rennrad und Meike demzufolge deutlich mehr Straßenkilometer in den Beinen hat. Aufs Equipment kann ich mich leider nicht rausreden, wir haben – bis auf die Kassette – genau das selbe IZALCO MAX 9.7 und während Meike in den Steigungen deutlich mehr Power brauchen wird, werde ich noch zwei, drei Gänge Luft nach unten haben. Und: Ich fahre das IZALCO MAX mit meinen 166 Zentimetern XS, mit einem 80er statt dem ursprünglichen 90er Vorbau und Meike, die mit ihren 181 Zentimetern genau zwischen M und L liegt hat sich dank dem Größenfinder auf der FOCUS-Website für L mit einem ebenfalls ein Zentimeter kürzeren Vorbau entschieden. Die unterschiedlichen Rahmengrößen machen zwar keinen Unterschied für die Performance macht, aber ein wenig lustig aussieht, wenn die beiden Rennmaschinen nebeneinander stehen.

Der Plan
Der Plan
Der Plan Der Plan

Unser Plan ist an Tag 1 von München über den Sylvensteinspeicher und Achensee nach Patsch in Tirol zu radln und an Tag 2 über Brenner und Jaufenpass nach Lana bei Meran in Südtirol. Die Idee diesen Sommer mit dem IZALCO MAX mehrmals die Alpen zu überqueren kam uns während unserer gemeinsamen Lunchrides im Frühjahrslockdown. Die italienische Grenze schien uns noch länger geschlossen, deswegen dachten wir ursprünglich erst Richtung Großglockner. Da die Italiener dann früher aufsperrten als vermutet, disponierten wir von der Südostroute auf die Südroute um. Erst trainieren am Timmelsjoch auf dem Weg ins Dolce-Vita-Land zu Spritz und Pizza, dann quälen am Glockner, auf der höchstgelegenen, befestigten Passstraße Österreichs – so war der neue Plan. Doch kaum gibt der Virus kurz mal Ruhe, durchkreuzt ein anderer Umstand unsere Pläne: Ein Hangrutsch macht die Anfahrt zum Timmelsjoch von Österreich aus unmöglich und wir müssen unsere Route auf Brenner und Jaufenpass verlegen.

 

Von München an den Achensee

Auf den ersten 60 Kilometern lief es ziemlich gut – den größten Teil der Tour haben wir aber immer noch vor uns. Wir radeln weiter zum Achensee und nehmen gegen den Willen unseres GPS-Geräts einen Radlweg, der sich nach kurzer Zeit prompt als Schotterpiste entpuppt, aber das soll unser größtes Problem heute bleiben.

In Achenkirch haben wir nach 86 Kilometern mehr als die Hälfte unserer heutigen Strecke hinter uns und genehmigen uns eine größere Pause. Meike bestellt „Pommes-Salat“, also Salat und Pommes und ich eine Suppe. Beim Essen diskutieren wir darüber, ob wir in den See hüpfen wollen oder nicht.

Munich Mountain Girls Trip Munich Mountain Girls Trip
Munich Mountain Girls Trip Munich Mountain Girls Trip
Munich Mountain Girls Trip Munich Mountain Girls Trip

Vom Achensee ins Inntal

Nach dem Essen radeln wir am Ufer des Achensees weiter. Irgendwann leuchtet das Türkis dann doch zu verlockend von rechts. Wir springen in den klaren Bergsee und würden nach dem ersten Kälteschock am liebsten drin bleiben, doch wir haben noch einige Kilometer vor uns. Nach dem Bad geht es weiter mit der Abfahrt nach Jenbach ins Inntal: Der Asphalt auf der extrem steilen Straße ist so neu, dass wir kaum Reibung spüren – irgendwie ein beunruhigendes Gefühl. Die Sonne hängt mittlerweile knapp über dem Horizont, und mit Blick auf den Patscherkofel, unser Ziel für heute, und dem Wind im Rücken rollen wir dahin. Es ist einer dieser leichten Momente auf dem Rennrad, in denen man unfassbar schnell unfassbar viel Strecke macht, ohne sich wirklich anstrengen zu müssen, weil der kleinste Pedaltritt einen gefühlt kilometerweit nach vorne schiebt.

Achensee
 

Hinauf nach Patsch

Ich versuche zu verdrängen was uns noch bevorsteht: Das Höhenprofil des Tages endet mit einer fast senkrecht ansteigenden Linie. Beim Anstieg nach Patsch kuscheln sich auf sieben Kilometern nochmal knapp 500 Höhenmeter aneinander, mit Steigungen bis zu 20 Prozent. Meike staubt davon und ich schraube mich auf dem größten Ritzel ihr langsam hinterher die nicht gerade wenig befahrene Bergstraße hinauf. Nach furchteinflößenden Überholmanövern oder Druckwellen von der linken Seite bleibt aber meist nicht viel Zeit zum Ärgern, da die nächste hübsche Aussicht wortwörtlich ums Eck kommt. So rollen wir auch jetzt raus aus dem Wald, um die Kurve und mit Blick auf die 3.000er des Stubaitals im Licht der Abendsonne hinein nach Patsch.

 

Von Patsch über den Brenner

Sonnenuntergang, Stubaiblick, Schnitzel, Stechmücken – so lässt sich unser Abend in Patsch nach knapp 150 Kilometern und 1.400 Höhenmetern zusammenfassen. Am nächsten Tag klingelt um sieben Uhr der Wecker und wir wissen, dass wir heute ein bisschen auf die Tube drücken müssen. Es soll der heißeste Tag des bisherigen Sommers werden, gegen 15 Uhr ist am Jaufenpass Gewitter gemeldet. Wir haben 120 Kilometer und knapp 2.000 Höhenmeter vor uns.

Über den Jaufenpass nach Lana

In Sterzing haben wir 50 Kilometer hinter uns und den Anstieg des Jaufenpasses direkt vor der Nase. Zeit uns im Biwak, einem durchaus empfehlenswerten Restaurant an der Rosskopf Talstation, nochmal zu stärken. Dann geht es hinauf, knapp 1.200 Höhenmeter auf 15 Kilometern erwarten uns.
Sind wir mal ehrlich, zu viel Ausdauersport macht einen zum Weirdo, oder? Ich beginne jedenfalls mit mir selbst zu sprechen...

Übers Penser Joch nach Sterzing

Nach der Tour ist vor der Tour, heißt es doch, oder? Eigentlich war unser Plan nach Lana zu radeln, und dort zwei Tage zu chillen. Aber klar, dass der bei guter Wettervorhersage mit Meike und Kaddi nicht aufgeht. Am Sonntag ging es deshalb zuerst gings auf einem Radl-Highway an der Etsch entlang von Meran Richtung Bozen. Nach ein paar Kilometern führt uns die Route weg vom Radweg und durch Dörfer zum Eingang des Sarntals – Ausblick auf den Rosengarten inklusive.

 
 

Das Izalco Max und lange Strecken in den Bergen

Trotz Umbau auf die bergauffreundlichere Kassette hatte ich vor unserem Trip großen Respekt vor der langen Strecke und den vielen Höhenmetern auf dem IZALCO, das in sämtlichen Tests als sprintstarke Sportskanone gefeiert wird. Auch Meike war vor den ersten Runden mit dem himmelblauen Aerorad ein wenig aufgeregt – sagten doch immer alle, dass Carbon ein komplett anderes Fahrgefühl sei, und auch der windschnittige Rahmen und die hohen Felgen waren für uns beide neu.

Mein Ex war ein gemütlicher Langstrecken-Typ aus Alu, und da ich nicht so ganz in die Kategorie Tour de France-Aspirantin falle, dachte ich, ich sollte vielleicht besser bei ihm bleiben. Doch meine Sorgen über den Neuen erwiesen sich als unbegründet: Weder Knie noch Rücken schmerzten über Gebühr und lange Strecken mit ganz unterschiedlichen Asphaltqualitäten waren dank Voll-Carbon viel angenehmer und weniger ermüdend, als ich es gewohnt war. Auch Meike verliebte sich schnell in die Direktheit, den Kontakt zur Straße und den Drang nach vorne, den das IZALCO MAX mitbringt.